Wenn der Angeltraum in Erfüllung geht

Für alle Fälle gerüstet sein

Seit Jahren versuchte mein Mitfahrer Thomas endlich einen Heilbutt zu fangen. Wie ich an verschiedenen Stellen bereits niedergeschrieben habe, ist und bleibt der Traum des großen Heilbutts für viele Angler ein Traum, und zwar ohne das bekannte glückliche Ende wie im Märchen. So fahren tausende – und diese Zahl ist definitiv nicht übertrieben – Petrijünger aus Deutschland jedes Jahr nach Norwegen, um sich nun endlich diesen Traum zu erfüllen. Auch mein Kumpel Thomas wollte es seit gefühlten 10 Jahren versuchen. Gut, in den 1990er Jahren war das Angeln auf Heilbutt noch nicht so verbreitet und durch diverse Medien publik und teilweise mit heroischen Beiwerk bestückt, wie es seit geraumer Zeit der Fall ist. Damals beschränkten wir uns auf große Bartelträger und den ein oder anderen Leng über dem magischen Meter.

Doch die Zeiten ändern sich! Auch beim Angeln in Norwegen. Das gilt für die gebuchten Reiseziele und beangelten Zielfische gleichermaßen wie für die entsprechenden Angeltechniken. Erinnert ihr euch noch an Dorschlöffel, “Heilbuttjigger” und andere Geheimwaffen für die kapitalen Nordmeermonster? Über den Sinn und die Fängigkeit einiger Angelköder läßt sich sicherlich streiten. Eines steht jedoch fest: Angeln in Norwegen ist ein Sport, der Urlaub und eben auch den Wunsch seine persönlichen Bestmarken zu überbieten, miteinander wunderbar verbindet. Das alles dann noch mit Freunden und/oder der Familie in einem solch fantastischen Land geniessen, ja das hat doch etwas. Und wenn zum Erreichen der neuen Rekorde eben eine solche Geheimwaffe hilfreich sein kann, dann probiert man es halt aus und sammelt über die Jahre so seine Erfahrungen.

Thomas nun wünschte sich keine Bestmarke. Er hatte ein anderes Problem, denn auf seiner Liste der zu fangenden Fische tauchte nach wie vor ein weißer Fleck unter der Rubrik “Heilbutt” auf. Insbesondere ärgerte es ihn, dass seine Angelfreunde – einschließlich meiner Wenigkeit – diesen Fleck bereits mit einem Haken versehen hatten. Ich kann euch sagen, soetwas spornt auch den ruhigsten Angler an, auch wenn es nicht jeder offen zugeben wird. Aber das ist gut so. Thomas war mit seinem Ansporn durchaus offen umgegangen und wollte beweisen, dass auch er einen Butt fangen kann. Da ich in der Regel das Boot steuerte, mußte ich natürlich auch einstecken. Dass ich doch bitte “einmal das Boot an die passenden Heilbuttplätze” steuern solle, war noch einer der harmlosen Sprüche. Ihr seht, auch einen Bootsführer kann man anspornen, ohne das dieser überhaupt die Angel ins Nordmeer gehalten hat.

Vor drei Jahren dann hieß es mal wieder: Angeln in Norwegen, wir kommen. Und natürlich hatte Thomas seinen “Auftrag”! Die ersten zwei Tage lief es so, wie man es sich wünscht: gute Dorsche, ein paar schöne Schellfische und auch Rotbarsche landeten in unseren Fischboxen. Doch irgendwie hatte mein Thomas noch immer diese Anspannung im Gesicht – und das trotz der bereits guten Fänge! Doch am dritten Tag sollte sich sein Gesichtsausdruck ändern. Am frühen Morgen der dritten Drift krachte es in seiner Rute. Uns war allen sofort klar: das mußte ein Butt sein! Völlig aufgeregt ruckte und riß er an seiner Rute rum. Das geschmeidige Drillen und Pumpen kannte er nicht mehr. Hatte er es verlernt!? Sicher nicht, er war nur total aufgeregt. “Ruhig!” Aber da redet man in solch einer Situation mit einer Wand. Irgendwie, und ich weiß bis heute nicht wie, brachte er den Butt ans Boot. Ich hatte die Harpune bereits fertig. Naja, da es Thomas’ erster Butt war, wußte er (noch) nicht, dass die Könige des Nordmeeres an der Oberfläche anfangen zu “schlagen”. Platsch-platsch und ab gings in die Tiefe. Der Butt kam nicht bis zum Grund, denn das brauchte er auch nicht. Warum? Thomas wollte unbedingt die Flucht des Fisches stoppen. Also machte auch er den Fehler, den sicherlich jeder mal gemacht hat. Daumen auf die Rolle und…! Der Fisch nahm es dankend an und schlitzte aus.

Unser kreidegesichtiger Mitangler kam nach 30 Minuten wieder zu sich und angelte nach Aufforderung endlich weiter. Natürlich mit diversen Sprüchen auf der Lippe, die ich hier nicht preisgeben möchte. Doch im Leben gibt es meistens eine zweite oder gar dritte Chance. Es bewahrheitete sich einmal mehr, dass besonders die zwei Stunden vor der Flut für unseren Butt recht brauchbar sind, um ihn zu verführen. Doch der Reihe nach. Harald “Harry” hatte den ersten Biß, der auf einen Butt hindeutete. Nach 10 Minuten lag ein metriger Heilbutt im Boot, den wir nach kurzem Foto wieder dem Nordmeer übergaben. Und Thomas? Sein Gesicht nahm mittlerweile die Farben eines Regenbogens an! Erst recht, als Harry den zweiten metrigen Butt pumpte. Alle seien gegen ihn, meinte Thomas, als es plötzlich auch an seiner Rute einen ordentlichen Schlag gab. Ich vermutete erst einen Seelachs, doch als der Fisch nach fünf Metern Drill wie eine Wand stehen blieb, war klar: das ist die nächste Chance für Thomas! Mit fast schon subtilen Bewegungen drillte er den Fisch Stück für Stück. Jetzt nichts falsch machen! Und tatsächlich, der Butt zeigte seinen Umfang. Ein schönes Tier! Ohne viel Federlesen saß die Harpune – zum Glück (!) – gleich beim ersten Anlauf. Mit 12kg kein Monster, aber ein schöner Butt. Was für eine Party würde das wohl heute Abend geben! Da wir eh genug hatten, fuhren wir sofort rein. Der Fisch sollte am Abend direkt auf den Tisch. Beim Filetieren sagte mir Thomas noch: jetzt einen Siegerschluck! Und genau dafür habe ich meinen Siegerflachmann! Dieser kleine Freund wird NUR bei speziellen Fischen rausgeholt, denn hier habe ich einen besonderen Tropfen drin (einen 25jährigen Rum). Lecker. Gefeiert haben wir an diesem Abend noch und Thomas konnte endlich seinen Haken setzen. So wie Thomas ging und geht es sicherlich vielen von euch. Und das ist gut so, denn man muß ja jedes Jahr einen neuen Anreiz haben. Achso, und der Rum darf ja auch nicht “schlecht” werden.

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